Rendite mit der Miete

»Wie die Finanzmärkte die Wohnungskrise in Deutschland befeuern«

Finanzwende Recherche dokumentiert, wie die Privatisierung von Immobilienbesitz benutzt wird, um privaten Kapitalbesitz zu vermehren. Immobilienunternehmen erzielen unglaubliche „Abschöpfungsquoten“ von 40% und mehr.

Die Dimension, in der Mieter*innen - man kann es nicht anders formulieren - ausgeplündert werden, ist erschreckend. »Durchschnittlich 41 Prozent der Miete ging 2021 als Gewinn an die Aktionär*innen der untersuchten Unternehmen«, heißt es erschreckend deutlich. Leider sind die Lösungsvorschläge bescheiden oder recht technokratisch. Das Team von Jorim Gerrard, Uwe Zöllner und Michael Peters verzichtet darauf, die Kapitalisierung des Bodens und die Privatisierung der Erträge prinzipiell zu hinterfragen. Die Studie mach jedoch eindrücklich klar, dass es politisch gewollt ist, Kapitalbesitz zu Lasten der Gesellschaft zu subventionieren. Die Hinweise auf zaghafte Korrekturbemühungen im Koalitionsvertrag unterstreichen dabei, dass die Zivilgesellschaft vor der Macht des Kapitals weitgehend kapituliert hat.

»Wer in Deutschland über 300 Wohnungen als Teil eines Immobilienunternehmens erbt und diese fünf Jahre lang hält, muss das Erbe nicht versteuern. Besitzen Unternehmen mehr als 300 Wohnungen, werden diese als Betriebsvermögen klassifiziert, welches signifikante Steuervergünstigungen genießt. Gegen diese Regelung sprach sich bereits 2017 der Bundesfinanzhof aus, jedoch entschieden sich 2018 das Bundesfinanzministerium und die Länder dazu, dieses Urteil nicht anzuwenden. Eine Abschaffung dieser Sonderregel würde die Bevorzugung von Immobilien gegenüber anderen Vermögenswerten bei der Erbschaftsteuer beenden.« (S.48)

Die Abschaffung dieser und anderer Steuerprivilegien wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Und die Autoren weisen weiter auf eine noch effizientere Möglichkeit hin, die Umverteilung von der Arbeit zu den Besitzenden deutlich einzuschränken: »Der deutsche Grundsteuersatz ist seit jeher niedriger als in Ländern wie den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien oder Dänemark. Ökonomisch und aus siedlungspolitischer Sicht sprechen sich Expert*innen für eine Stärkung der Bodenwertkomponente bei der Grundsteuer aus. Diese könnte die städtischen Ballungsräume stärker besteuern und damit den Geldfluss in diese Gebiete eindämmen. In der jetzigen Form dürfen einzelne Bundesländer von Teilen der neuen Grundsteuer abweichen. Auch nach der Grundsteuerreform besteht die Gefahr, dass die Steuerkosten auf Mieter*innen umgelegt werden können. Denkbar wäre es deshalb, die Weitergabe der Grundsteuer in Form von Betriebskosten zu verbieten.« (S.49)

Um überhaupt gesellschaftlich Gehör zu finden, erwähnen Gerrard, Zöllner und Peters technokratische Lösungsansätze wie die »Einführung einer sozialen Taxonomie auf EU-Ebene«. Hiermit könnte Politik, wie derzeit üblich, Aktionismus durch sehr viel Bürokratie vorweisen, ohne die negative Entwicklung grundsätzlich angehen zu müssen. Die Autoren deuten aber auch an, dass der Status quo genau so gewollt ist: »Die vorherrschende Intransparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt führt dazu, dass das gesamte Ausmaß der Finanzialisierung nur schwer quantifizierbar ist. Außerdem wird Steuervermeidung erleichtert und kriminelles Geld in den Sektor geleitet.« (S.50)

Die vorliegende Studie ist ein wichtiger Aufschlag für eine Diskussion um die Abschöpfung der Bodenrente. Und auch wenn es kaum jemand mehr wahrhaben will, die Autoren befindet sich in guter Tradition einer 200-jährigen Geschichte des Kampfes der Arbeit gegen das Kapital.
 

Lesen Sie hierzu auch: »Wenn Wohnen ein öffentliches Gut und kein Geschäft ist«, »Kapitulationsvertrag« und »Grundsteuer: Zeitgemäß!«.

Klaus Willemsen, 07.12.2023

Verwendete Quellen:

RENDITE MIT DER MIETE - Wie die Finanzmärkte die Wohnungskrise in Deutschland befeuern
Finanzwende Recherche 
Motzstraße 32, 10777 Berlin, info@finanzwende-recherche.de

INWO-Blog: Wenn Wohnen ein öffentliches Gut und kein Geschäft ist

INWO-Blog: Kapitulationsvertrag

Grundsteuer: Zeitgemäß! - Ein bundesweiter Aufruf zur Grundsteuerreform