»Verwahr-Entgelt« oder die Geldgebühr in der Testphase

Nichts schmerzt deutsche Banken derzeit mehr, als die völlig aus dem Ruder laufenden Geldsummen auf Giro- und Tagesgeldkonten. Doch keiner traut sich etwas dagegen zu unternehmen. Keiner? Doch, eine kleine Genossenschaftsbank am Tegernsee wehrt sich gegen den monetären Irrsinn.

Einige Milliarden Euro liegen mittlerweile, täglich abrufbar, auf Girokonten europäischer Banken. Diese Spekulationskassen belasten die Kreditinstitute in mehrfacher Hinsicht. Sie verringern das Volumen langfristiger Ausleihungen, vergrößern das Risiko des Kerngeschäftes und verursachen gewaltige Kosten.

Über die Notwendigkeit, die Liquiditätskosten an die Geldbesitzer weiterzureichen, sprechen Banker derzeit nur hinter vorgehaltener Hand. Groß ist die Furcht, einen Image-GAU zu provozieren. Als zweites deutsches Institut (nach der Skatbank) wagt nun die kleine Raiffeisenbank Gmund den notwendigen Schritt: Ab September wird sie private Girokonten mit Guthaben über 100.000 Euro mit den anfallenden Strafzinsen belasten.  

Diese scheinbar unbedeutende Maßnahme ist währungspolitisch ein Meilenstein. Die Geldhortung wird als gesellschaftliche Belastung und Kostenverursacher anerkannt. Die vom Vorstandsmitglied Josef Paul »Verwahr-Entgelt« genannte Geldgebühr ist eine sinnvolle und dringend notwendige Maßnahme, um gesellschaftliche Kosten an deren Verursacher weiterzureichen.  

Der historische Paradigmenwechsel hin zu Liquiditätskosten wird von Bankern weiterhin kleingeredet und von Wirtschaftsredakteuren noch immer nicht begriffen. Handelsblatt, Focus und Süddeutsche veröffentlichen eine fast gleichlautende Agenturmeldung von Reuters. Ansonsten bleibt das Medienecho gering. Süddeutsche.de spricht immerhin von einem »Tabubruch«, Handelsblatt.com beschreibt die Entwicklung als »bröckelnde Front«.  

Darüber hinaus zeigt die Berichterstattung vor allem das herrschende Unverständnis. So wird der <link www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/negativzinsen-fuer-privatkunden-genossen-verlangen-erstmals-strafzinsen/13994976.html _blank external-link-new-window "Opens internal link in current window">»extreme geldpolitische Kurs der EZB«</link> (HB) als Kostenverursacher dargestellt, aber nicht erwähnt, dass die massive Ausweitung der Liquidität bei den Bankkunden die eigentliche Ursache darstellt. Dieses Verständnis-Defizit hat gravierende Folgen. Laut Handelsblatt plant die Alternativ-Bank GLS <link www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/negativzinsen-fuer-privatkunden-genossen-verlangen-erstmals-strafzinsen/13994976.html - external-link-new-window "Opens internal link in current window">»im Kampf gegen das Zinstief von den Kunden einen monatlichen »Solidarbeitrag« zu erheben«</link>. Andere Geldhäuser »bieten inzwischen keine kostenlosen Girokonten mehr an oder erhöhen die Gebühren für Kontoführung und Kreditkarten«. Maßnahmen, die etwas Geld einbringen, aber nicht die Ursache der Kosten berühren, da sie unabhängig von der gehorteten Summe sind. Bestraft wird hier der durchschnittliche Kunde, und nicht der Spekulant, der die Probleme verursacht. Der richtigere Weg wird nun - nach der Skatbank und der schweizerischen ABS - von der Raiffeisenbank Gmund beschritten. Das sollte Schule machen.

Josef Paul, der Vorstand der Gmunder Raiffeisenbank drückte es in einem Interview mit dem Münchner Merkur klar aus: »Wir wollten ihnen einfach nur zeigen, welche Konsequenzen die Geldhaltung für uns hat: Sie verursacht Kosten (...) Wenn Sie eine Million Euro an Einlagen nehmen, kostet uns das 4000 Euro im Jahr. Wir ermöglichen es, das Geld bei uns zu parken, wie bei einem Auto im Parkhaus. Aber für diese Parksituation verlangen wir künftig Verwahrentgelt.« Er hält Negativzinsen für »einfach, nachvollziehbar und transparent«. Richtig so!

Klaus Willemsen, 11.08.2016  

 

Lesen Sie dazu bitte auch:

<link www.inwo.de/medienkommentare/geldpolitisch-mehr-gas-geben/ _top>»Geldpolitisch mehr Gas geben«</link>

<link www.inwo.de/medienkommentare/der-frust-der-sparer/ _top>»Der Frust der Sparer«</link>

<link www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld/ - external-link-new-window "Opens internal link in current window">»Stabile Währung durch Haltegebühr auf Geld«</link> 

 

Verwendete Quellen:

www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/negativzinsen-fuer-privatkunden-genossen-verlangen-erstmals-strafzinsen/13994976.html

www.merkur.de/lokales/region-tegernsee/gmund-ort65533/interview-darum-erhebt-raiffeisenbank-gmund-negativzinsen-6656732.html

www.sueddeutsche.de/wirtschaft/negativzins-bayerische-bank-verlangt-strafzinsen-von-privatkunden-1.3116772

www.focus.de/finanzen/banken/tabu-gebrochen-erste-volksbank-verlangt-jetzt-strafzinsen-von-privatkunden_id_5813815.html

www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld/

www.inwo.de/medienkommentare/geldpolitisch-mehr-gas-geben/

www.inwo.de/medienkommentare/der-frust-der-sparer/